Ein Schatz wird geborgen: Das Flechten-Herbar von Anton Gisler (1820–1888)
von Dr. Michael Dietrich und Dr. Walter Brücker
Die Referenten berichten über den Urner Naturforscher und seine einmalige Sammlung.
Donnerstag, 8. September 2016, 19.30 Uhr
Staatsarchiv Uri, Bahnhofstrasse 13, Altdorf
Eintritt frei
Die Referenten und das Veranstaltungsteam freuen sich auf
ein interessiertes und engagiertes Publikum.
Der Urner Naturforscher Anton Gisler (1820–1888)
Anton Gisler wurde am 20. Januar 1820 in Bürglen geboren. Er besuchte die Lateinklassen an der Kantonsschule in Altdorf, das Lyzeum in Freiburg und studierte am Borromaeum in Mailand. 1844 übernahm er die Pfarrei Riemenstalden. Um 1847 erfolgte seine Ernennung zum Lehrer an der Kantonsschule. Damit verbunden war später die Stelle als Kaplan des Frauenklosters vom Oberen Hl. Kreuz, die er von 1863 bis zu seinem Tod innehatte. Er starb am 24. Oktober 1888 an einem Schlaganfall. Der Lehrerberuf gab Anton Gisler auch die Gelegenheit, in seinen Mussestunden seiner Lieblingsbeschäftigung, der Pflanzenkunde zu frönen. Wie kein anderer hat er dabei den Kanton Uri von den Ufern des Urnersees bis zu den höchsten Gipfeln erforscht.
Er war zu seiner Zeit der beste Kenner der Urner Flora und korrespondierte mit vielen Wissenschaftern in ganz Europa, die seine grossen Kenntnisse anerkannten.
Gislers aussagekräftiges Flechten-Herbar
Speziell grosse Aufmerksamkeit widmete Anton Gisler den faszinierenden Flechten, der Symbiose aus Pilz und Alge. Er hinterliess ein Herbar mit über 4600 Belegen, ein Kulturerbe von einzigartigem Wert. An verschiedenen Orten aufbewahrt, fand die Sammlung seit Ende des 19. Jahrhunderts leider nur wenig Beachtung. Dies hat sich mit ihrer Rückführung ins Staatsarchiv Uri geändert. Die wertvollen, aussagekräftigen Daten werden nun digitalisiert und für die Nutzung bereit gestellt. Gisler hatte nicht nur die augenfälligen Strauch- und Blattflechten dokumentiert, sondern insbesondere auch die Krustenflechten und zwar von allen Substraten – Bäumen, Totholz, Boden, Gestein – und Lebensräumen bis in die alpine und nivale Stufe. Die flächendeckende Dokumentation ist einmalig für das 19. Jahrhundert. Das Herbar ist nicht nur für den Kanton Uri eine wichtige Quelle für Informationen über die biologische Vielfalt, sondern auch für die Schweiz und den gesamten Alpenraum. Die Angaben liefern wichtige Hinweise für den seit dem 19. Jahrhundert stattfindenden Wandel der Flechtenvegetation. Verschiedene Arten sind in der Schweiz inzwischen ausgestorben, vom Aussterben bedroht oder waren bisher gar nicht bekannt.
Die Referenten
Dr. Michael Dietrich, Kriens, studierte Biologie an der Universität Bern. Danach war er an der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL tätig. Seit 1999 betreibt er das «Umweltbüro für Flechten». Er erstellt Gebietsinventare, beurteilt mit Flechten die Luftgüte, berät die Denkmalpflege, führt Herbar-Inventarisierungen durch und engagiert sich im Flechtenschutz, wofür er 2012 den Umweltpreis der Gemeinde Kriens erhielt. 2015 verfasste er das Buch «Flechten – Faszinierende Vielfalt in der Bergwelt um Engelberg – Auf den Spuren von Pater Fintan Greter (1899–1984)».
Dr. Walter Brücker, Altdorf, studierte Botanik und Zoologie an der Universität Zürich und verfasste eine Dissertation zur Vegetation in Lawinenablagerungsgebieten des Kantons Uri. Über 30 Jahre war er Lehrer an der Sekundarschule Altdorf. Er leitet die Gruppe Botanik der Naturforschenden Gesellschaft Uri, die sich mit der Erforschung und Erfassung der Flora des Kantons beschäftigt. In vielen Büchern und Zeitungen hat er Beiträge zum Lebensraum und zur Natur im Kanton Uri veröffentlicht.